Pressemitteilungen
Rede im Brandenburger Landtag vom 17.05.2001
"Stabilisierung und Weiterentwicklung der Hochschulen im Land Brandenburg"
Herr Präsident, meine Damen und Herren.
Brandenburg wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts
eine demografische Entwicklung durchlaufen, die beispiellos in seiner Geschichte ist.
Rund 230 Schulen werden mangels Kinder in den kommenden Jahren geschlossen.
Etliche auf der Suche nach Arbeits- und Ausbildungsstellen
verlassen bereits heute vor allem
junge Menschen unser Land und ziehen in wirtschaftlich prosperierende Regionen.
Und diejenigen,
die abwandern, das sind die meistens, flexiblen und leistungsfähigen, die zur
geistigen Elite unseres Landes zählen. Machen wir uns nichts vor: Diese
Menschen werden selten wieder nach Brandenburg zurück kommen!
Auch das widerspiegelt sich in den Feststellungen
von heute, der viel beschworene selbsttragende wirtschaftliche Aufschwung ist
immer noch Wunschdenken. Wir hängen am Tropf des Länderfinanzausgleichs und
sind nur unter großen Schwierigkeiten in der Lage, die Kofinanzierung für die
EU-Mittel aufzubringen. Die zweifellos notwendige Konsolidierung des Landeshaushalts
wird allerdings zum- Bremsklotz bei
der Umsetzung von zukunftsfähigen Projekten. Ist es anmaßend, in dieser
Situation den weiteren Ausbau der Hochschulen zu fordern oder gebietet dies
nicht geradezu die landesplanerische Vernunft?
Anrede
Wir stehen in der Pflicht, den jungen Leuten Perspektiven für ihre
Zukunft zu eröffnen. Wir müssen gerade die kreativen und gebildeten an unser
Land binden und um sie werben, indem wir ihnen die besten
Ausbildungsmöglichkeiten, also hervorragende Studienbedingungen, bieten. Ich
frage sie, wie sonst wenn nicht durch gut ausgestattete Hochschulen gewinnt man
die geistige Elite, die wiederum durch ihre Kreativität und Innovationskraft
unser Land weiter entwickelt? Welches moderne Unternehmen, das für die
Zukunftsmärkte gerüstet ist, würde nach Brandenburg expandieren oder sich bei
uns gründen, wenn wir nicht über ein Reservoir an gut ausgebildeten
Hochschulabsolventen verfügten? Qualität und Leistungsfähigkeit unserer Universitäten
und Fachhochschulen bestimmen die zukünftige Entwicklung unseres Landes in
jeder Hinsicht. Hochschulen sind Standortfaktoren, "sie sind Motor für die
Herausbildung eines neuen, innovativen Mittelstandes und durch ihre
vielfältigen Verknüpfungen mit den Unternehmen der Region unverzichtbarer
Bestandteil des regionalen Wirtschaftsausbaues" -heißt es im vorliegenden Antrag,
und ich möchte ergänzen: Hochschulen beugen der Abwanderung von jungen Menschen
vor und beflügeln das kulturelle Leben in den Regionen. ...
Anrede
Politik muss im Zeitalter der Globalisierung
stärker Handlungsspielräume aufgreifen und gerade Bildungspolitik ist ein
Bereich, in dem der Staat entscheidende Weichen für den Wirtschaftsstandort
stellen kann. Weil Wissen der Standortfaktor der Zukunft ist und weil die
Fähigkeit, komplexe Zukunftsaufgaben zu lösen für die nachhaltige Entwicklung
eines Landes maßgebend ist, muss Bildung zentrales Thema der Landespolitik
bleiben.
Durch Investitionen in
die Bildung demonstriert der Staat auch soziale Verantwortung, denn in der
Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts ist Bildungspolitik die erste Stufe
der Sozialpolitik, weil sie jungen Menschen überhaupt erst eine Lebenschance
eröffnet.
10
Jahre nach der kompletten Neugründung der brandenburgischen Hochschullandschaft
mit all den positiven Auswirkungen auf die Regionen - die Belebung des
Arbeitsmarktes und der Wirtschaft - ist es dennoch nötig, alles gewachsene auf
den Prüfstand zu stellen, Bilanz zu ziehen und mit in die Zukunft weisenden Maßnahmen
die weitere Entwicklung der Hochschullandschaft voran zu treiben. Deshalb haben
die Wissenschaftspolitiker in der SPD-Fraktion das Thema Stabilisierung und
Weiterentwicklung der Hochschullandschaft auf die Tagesordnung der
Fraktionsklausur im Oktober vergangenen Jahres gesetzt und in der Folgezeit mit
Hilfe externen Sachverstandes und in Zusammenarbeit mit dem Bildungs- und dem
Wirtschaftsarbeitskreis der Fraktion den hochschulpolitischen Kurs der SPD für
den nächsten Zeitraum abgesteckt. Der vorliegende Antrag ist ein Ergebnis
unserer Bemühungen.
Der Antrag gliedert sich in 5 Punkte anhand derer
sie ableiten mögen, wo wir Reserven sehen. Aufgefordert sind Bildung, Wirtschaft,
Verbände, Hochschulen und Politik, ihren Beitrag zu leisten, diese Reserven zu
mobilisieren.
Eine Forderung des Antrages zielt auf die Erhöhung
der Studierendenquote und auf die Erhöhung des Anteils junger Frauen in mathematisch-
ingenieurwissenschaftlichen sowie naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften mit einem Hochschulabschluss wird weiter steigen.
Jeder dritte Arbeitnehmer wird künftig einen Hochschulabschluss haben, ja haben
müssen, um überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Doch fast
60% der Brandenburger Abiturienten studieren nicht in unserem Land. Können wir
es uns erlauben, diese jungen Menschen einfach ziehen zu lassen? Natürlich gibt
es gute Gründe, für ein paar Semester über den märkischen Tellerrand
hinauszublicken und dem beruflichen Weiterkommen kann ein Auslandsaufenthalt
nur dienlich sein. Leider lautet die schlichte Wahrheit: Wir stellen unseren
Landeskindern schon heute zu wenig Studienplätze zur Verfügung! Wir stellen
ihnen zu wenig Studienplätze zur Verfügung, obwohl wir genau wissen, dass die
Studienplatz- nachfrage noch 8 Jahre lang ansteigen wird und die Studierendenzahlen
erst wieder im Jahre 2015 das heutige Niveau erreichen werden.
Anrede
Neben
dem Bereich der Erstausbildung an den Hochschulen wollen wir dem lebenslangen
Lernen und Qualifizieren einen höheren Stellenwert geben. Von dem einmal
erworbenen Wissen kann heute niemand mehr ein Leben lang zehren. Deshalb sehen
wir die Notwendigkeit, den Bereich der Weiterbildung, der bisher an unseren
Hochschulen ein Schattendasein führte, neu zu denken. Seine Aufgabe muss
künftig die integrale berufsbegleitende und berufsqualifizierende Ausbildung
sein. Das ist noch ein weiter Weg, wir stehen ganz am Anfang.
Eine weitere wichtige Forderung zielt darauf ab,
die vorhandenen Mittel an den Hochschulen effektiv einzusetzen, vielfältige
Kooperationen untereinander und mit Berliner Hochschulen einzugehen bzw.
Studienangebote einvernehmlich abzustimmen. Ziel jeder Hochschule soll es auch
sein, ihr eigenes Profil zu schärfen.
Anrede
Mit
unserem Antrag wollen wir bewusst einen Schritt in Richtung neue
Finanzierungsmodalitäten für Hochschulen gehen. Sie sollen die Verwaltung
staatlich zugewiesener Mittel und die Beschaffung und Verwendung
nichtstaatlicher Mittel unter dem Gesichtspunkt von Autonomie, Effizienz und
Planungssicherheit regeln, aber gleichzeitig angemessene Anreizmechanismen
enthalten. Die Einführung der globalisierten Hochschulhaushalte und eines
Systems zur leistungsorientierten Mittelzuweisung für die Hochschulen im Land soll
die Erwirtschaftung und eigenverantwortliche Verwendung von Einnahmen aus
Dienstleistungen ermöglichen und fördern. Hier gibt es Spielraum. Und wenn es
uns gelänge, privatrechtliche und unternehmensähnliche Organisationsformen zu
erproben und einzuführen und damit die Förderung einer unternehmerischen Kultur
an den Hochschulen voranzubringen, wäre das ein entscheidender Schritt zur
Entlastung des Landeshaushaltes und ein starker Anreiz für die Hochschulen,
ihre anwendungsbezogene Forschung als Dienstleistung schneller und gewinnbringend
zu vermarkten.
Investitionen in Hochschulen sind keine konsumtiven
Ausgaben, sondern Zukunftsinvestitionen und Wirtschaftsförderung im besten
Sinne! Es liegt in unserer Hand, im Landeshaushalt die Prioritäten neu zu
setzen und das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft noch enger zu
gestalten. Ein Gedankenanstoß dazu ist im Antrag formuliert, im 3. Punkt wird
gefordert, künftig diejenigen Unternehmen bei der Vergabe von Fördermitteln
vorrangig zu berücksichtigen, die intensive Kooperationsbeziehungen mit Hochschulen
des Landes pflegen.
Anrede
Das Denken in Legislaturperioden beim Thema
Hochschulpolitik greift zu kurz und ich bin überzeugt, es gibt im Interesse unseres
Landes keine Alternative zum Kurs der Stabilisierung und Weiterentwicklung der
Hochschulen.
Wenn Sie heute diesem Antrag zustimmen, dann ist die Landesregierung
beauftragt, bei der Aufstellung des Landeshaushalts 2002/03 die beschlossenen
Punkte zu berücksichtigen. Die Mitglieder des Ausschusses für Wissenschaft,
Forschung und Kultur werden diesen Prozess begleiten und einen ersten Bericht
über eingeleitete Maßnahmen und Vorhaben im Dezember erhalten und jährlich wird
dem Landtag über die Situation an den Hochschulen berichtet. Damit ist es uns möglich
die Entwicklungen zu steuern und im Bedarfsfall zu korrigieren.
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